Obwohl die Entfernungen und Flugzeiten zu ungarischen Flugplätzen oftmals kürzer sind, als Flüge innerhalb Österreichs, fliegen nur wenige Hobbypiloten ins Land der Magyaren. Aber es lohnt sich, denn auf jedem der vielen ungarischen Flugplätze gibt es etwas Sehenswertes, die Landegebühren sind niedrig und häufig wird deutsch gesprochen. Wir waren in der Vergangenheit bereits auf 7 ungarischen Flugplätzen, dieses Mal kamen 6 weitere neue dazu.
Freudiges Wiedersehen
Vor 3 Jahren wurde die Dimona OE-9233, mit der wir jahrelang Flüge zwischen Afrika und Nordcap sowie rund um und innerhalb Europas gemacht haben, nach Ungarn verkauft. Der neue Budapester Besitzer lud uns mehrmals ein, ihn und die Dimona zu besuchen. Erste Station war daher der Flugplatz LHBS Budaörs südlich von Budapest, wo „unsere“ Dimona eine neue Heimat gefunden hat.
Obwohl in Seitenstetten „sky clear“ war, standen über den zu überquerenden Bergen hohe Wolkentürme. Sie waren teilweise so hoch, dass auch 7.500 Fuß nicht ausreichten und Wien Information 9.500 Fuß akzeptierte. Zum ersten Mal brauchten wir im Anfluggebiet des Flughafens Wien Schwechat und Neusiedlersee nicht auf 2.000 Fuß sinken, sondern wir durften unsere Reiseflughöhe bis Budapest beibehalten. Nach dem Neusiedlersee und in Ungarn gab es keine Wolken mehr. Auffallend ist, dass in diesem Teil Ungarns immer mehr Windräder gebaut werden. In Györ überflogen wir die markante Audi Autofabrik, am Horizont links war die Donau zu sehen, rechts der Plattensee.
Budaörs war bald erreicht und der neue Dimona Besitzer erwartete uns bereits. Er führte uns zu unserer „alten Liebe“, die bis auf neue Sitzbezüge noch genauso war, wie sie uns hunderte Stunden verlässlich in viele Länder gebracht hatte. Erinnerungen an so manches Erlebnis wurden wach, streicheln des liebgewonnenen Flugzeuges war Ehrensache. Das Angebot, sie auch wieder fliegen zu dürfen, verschoben wir aus Zeitgründen auf ein vereinbartes nächstes Treffen. Am Flugplatz Budaörs war gerade ein Fest im Gange und der Beginn der Kunstflugvorführungen war angesagt. Um nicht das Ende abwarten zu müssen, starteten wir fluchtartig zu unserem nächsten Ziel nach Siofok.
Segelrevier Plattensee
Der Flug nach Siofok dauerte etwa 30 Minuten. Im Tiefflug ging es bei heftigen Turbolenzen über die ungarische Tiefebene. Bei der resoluten Flugplatzleiterin bestellten wir bereits im Funk einen Autotransport zur Fähre nach Tihany. Das klappte perfekt, nach der Landung stand bereits ein Auto bereit. Unsere Mission war, einen geeigneten Standort zum Testen von neuen Segelkatamaranen zu finden. Der 80 km lange Plattensee eignet sich dafür bestens. Beim Hotel Club Tihany wurden wir fündig und vereinbarten, dass wir bald anreisen werden, um einige Tage zu segeln. Zurück am Flugplatz Siofok, ging es in einem ruhigen Abendflug über dem Plattensee weiter nach LHSM – Balaton.
Schloss Festetics, Zigeunerdorf und Hightech-Fabrik
Ein Fliegerfreund aus Biberbach/Seitenstetten betreibt seit vielen Jahren an der ungarisch-kroatischen Grenze einen Produktionsbetrieb für Hightech-Einstiegskomponenten für Schienenfahrzeuge.
Er erwartete uns bereits auf seinem ungarischen Heimatflugplatz LHSM – Balaton. Nach Versorgen des Flugzeuges und Beziehen eines Quartiers, führte er uns zum Schloss der Fürstenfamilie Festetics. In dem märchenhaften Schloss mit prächtiger Parkanlage ist auch ein Museum der Reliquien der Forschungsreisen des Grafen Festetics untergebracht. Eine Besichtigung von Keszthely mit Fogosch Essen beendete diesen Tag.
Mit dem Auto ging es am Morgen zu seiner etwa 50 km entfernten Fabrik. Am Weg dorthin durchquerten wir das Zigeunerdorf Zalakomar. Dort leben fast ausschließlich Roma, die vor den Häusern stehen und die Zeit in irgendeiner Form totschlagen. Als von der EU anerkannte traditionelle Minderheit brauchen sie nicht arbeiten, sondern werden vom ungarischen Staat erhalten. Sie sind dunkelhäutig, haben pro Familie durchschnittlich 7 Kinder und wohnen in „sehr einfachen“ Häusern. Später fotografierten wir das Dorf auch aus der Luft.
Bei der Fabrik angekommen, besichtigten wir das Werk, das bei Türen und Einstiegssystemen von Schienenfahrzeugen weltweit führend ist. Nicht nur der Railjet in Österreich, ICE in Deutschland, TGV in Frankreich, sondern auch der Shinkansen in Japan sind mit Teilen aus der Fabrik ausgestattet.
Geschäftsbesuch, Nostalgieflugzeuge und 5 Sterne Schlosshotel
Wieder am Flugplatz Balaton zurück, führte uns die nächste Strecke über die ungarische Tiefebene nach LHPP- Pesc, nahe der serbischen Grenze. Die Gegend dorthin besteht aus Wäldern, Feldern, Schilfsumpfgebieten und verstreute kleine Wohnsiedlungen und Dörfer. Der Flugplatz Pesc wurde 2006 mit Unterstützung der EU vollkommen erneuert und EASA-konform ausgestattet. Einige Zeit unterhielt auch die AUA Linienflüge nach Pesc. Weil die Strecke aber unrentabel war, wurde sie wieder eingestellt.
Im etwa 40 km entfernten Komlö hatten wir eine Geschäftsbesprechung vereinbart. Von unserem Geschäftspartner wurden wir abgeholt und nach dem Besuch wiederum über das 700 m hohe Gebirge von Komlö zum Flugplatz Pesc gebracht.
Nächster Flugplatz war LHKV-Kaposvar. Dort sind etliche ausgemusterte alte Doppeldecker, Nostalgieflugzeuge und andere Raritäten abgestellt. Unter www.wildbergair.com sind diese Flugzeuge abgebildet und genau beschrieben. Nach der Besichtigung ging es weiter zu einem absoluten Höhepunkt, dem Privatflugplatz LH01 des 5 Sterne Schlosshotels Hertelendy. Dabei handelt es sich um ein ungarisches Schloss, das von einer Schweizerin gekauft und vollkommen erneuert wurde. Das Schlossareal verfügt über eine gigantische Anlage mit Pferdegestüten, Tennisplatz, Schwimmbad, Schlossteich und Ziergarten, vor allen Dingen aber einem sehr gepflegten Flugplatz. Am Schlossareal werden Nobel-Autotreffen, Reit- und Tennisturniere, Jagdveranstaltungen und natürlich auch Flugtage abgehalten. Das Hotel selbst bietet zusätzlich noch Wellnessangebote und Kulinariktage.
Vom Butler wurden wir vom Flugzeug abgeholt, zur Hotelrezeption geführt und das Gepäck ins Zimmer gebracht. Abends speisten wir ungarische Gulaschsuppe und Paprikahuhn, anschließend besichtigten wir die Anlage, wo auch das Zelt der vorwöchigen Flugveranstaltung noch aufgebaut war. Für eine Übernachtung in diesem Luxustempel muss man zwar tief in die Tasche greifen, aber das vergönnt man sich ja auch nicht alle Tage. Alle Informationen unter www.fly-hertelendy.com
Schafherden, Vogelschwärme, Gefängnis und Gyrocopter
Um auch weitere ungarische Flugplätze kennenzulernen, landeten wir zunächst in LHZA-Zalaegerszeg, dann in LHSY-Szombathely. Diese beiden Grasflugplätze sind von der Luft aus nicht leicht zu finden. Zusätzlich zum GPS ist eine Flugplatzumgebungskarte sehr hilfreich. Beim ersten Flugplatz weidete vor der Piste eine riesige Schafherde, die wir auseinandertrieben als wir knapp darüber anflogen. Das war noch gut gegangen, aber der Ausrollteil war voll von einer hartnäckigen Schar von großen Vögel, die sich erst im allerletzten Augenblick bequemte wegzufliegen. Beim Start wieder das gleiche, fast hätte es ein Gemetzel gegeben.
Beim Anflug auf LHSY überflogen wir das ausgedehnte Gefängnis mit vielen Bauten und einer markanten Sicherheitsumzäunung. Zahlreiche Gefangene hielten sich im Gelände auf. Was sich die Sträflinge wohl denken, wenn sie die startenden und landenden Flugzeuge beobachten? Szombathely ist ein aufgelassener Militärplatz, der bereits EASA-konform ausgestattet wurde, der Betreiber aber in Konkurs ging. Auch hier weideten Schafe direkt neben der Landepiste, allerdings passte ein Schäfer mit Hund auf, dass keines in die Piste graste.
Letzter Flugplatz war der, manchen österreichischen Hobbypiloten bekannte, ungarischen Grenzflugplatz LHFM-Fertoszenmiklös. Hier befindet sich das ungarische Zentrum für Gyrocopter und eine Gyrocopter-Schule. Pausenlos starten und landen Gyrocopter und im Hangar sind unterschiedlichste Typen zu besichtigen. Auch die angesiedelte Flugzeugwerft, wo aktuelle Flugzeuge gewartet und überholt, aber auch Oldtimer restauriert werden, ist interessant. Fotografieren durften wir aber leider nicht.
Nach Hause
Nun stand nur noch der Nach-Hause-Flug am Programm. Von Fertoszenmiklös ging es schnurgerade zwischen Schneeberg und Dürrer Wand, am Ötscher vorbei wieder zurück nach Seitenstetten. Alles in allem waren es drei, zwar nicht spektakuläre, aber doch interessante Flugtage bei den Nachbarn in Ungarn.
Erkenntnisse
- Die Anflugkarten für alle ungarischen Flugplätze einschließlich aller wichtiger Daten, können hier heruntergeladen werden.
- In Ungarn ist es üblich, auch für Inlandsflüge einen Flugplan aufzugeben. Weil es aber auf den kleinen Flugplätzen kaum einen Computer gibt, über den man den Flugplan via Austro Controll Homebriefing aufgeben kann, geht es auch relativ problemlos per Telefon:
o für Inlandsflüge Telefon: +36 1 296 9143
o für Auslandsflüge: +36 1 296 6844
Ausgenommen von der Flugplanpflicht sind lediglich sehr kurze Strecken zwischen Flugplätzen, sofern keine Kontrollzone davon betroffen ist. - Die meisten kleineren Flugplätze sind Grasflugplätze. Besonders, wenn die seitlichen Begrenzungen fehlen oder nicht auffällig sind, ist die Piste oft schwer zu erkennen. Hilfreich ist da neben dem GPS auch die Flugplatzumgebungskarte, die aus dem Internet ausgedruckt werden kann. (siehe oben)
- Kleinere Flugplätze sind wochentags häufig nicht besetzt. Man sollte daher den Flugplan vor der Landung über Budapest-Info schließen, eine Landeankündigung an allenfalls in der Umgebung fliegende Flugzeuge abgegeben und ohne Funkanweisung landen. Wenn niemand am Platz ist, braucht man auch keine Landegebühr zu bezahlen…
- Manche ungarische Regionalflugplätze sind seit dem Beitritt Ungarns zur EU sehr schön und aufwendig EASA-konform ausgebaut. Weil aber deshalb die Flugfrequenz kaum gestiegen ist, aber permanentes Personal anwesend sein muss, entsteht für die Betreiber oftmals ein Verlust, der durch die am Tourismus Interessierten Unternehmen abgedeckt wird.
Wolfgang Grabner